Yeşil Çember

Interviewte: Gülcan Nitsch
Organisation: Yeşil Çember – ökologisch interkulturell gGmbH seit 2012
Ihre Expertise: Umweltbildung – Aktivierung und Sensibilisierung türkischsprachiger Menschen in Deutschland für Umweltthemen

Interkulturelle Umweltbildung ist in einer multikulturellen Gesellschaft eine notwendige Herangehensweise. Ich habe vor jetzt fast 12 Jahren begonnen mich in der deutschen Umweltszene interkulturell zu engagieren; ich bin in Berlin geboren, ich bin in Deutschland sozialisiert und ich bin zweisprachig und in zwei Kulturen aufgewachsen. Damals habe ich dann gemerkt, dass die Türkische Community in der Umweltszene überhaupt nicht dabei ist. Woran liegt das denn? Was sind die Hürden, was sind die Stolpersteine, es gibt doch so viele Türken in Deutschland! Dann habe ich einfach spontan begonnen; ich bin in türkische Vereine gegangen, dann sind wir auf die Straßen gegangen, haben Passanten gefragt, ob sie sich für das Thema Umweltschutz interessieren, und ich war wirklich sehr überrascht, dass viele Passanten auf der Straße, die waren für uns fremde Leute, bereit sind sich für die Umwelt zu engagieren, aber nicht wissen wie. Und da habe ich gedacht, OK, es liegt nicht daran, dass die türkische Community das nicht will, sondern sie weiß nur nicht wie es geht, das heißt man muss für sie neue Wege schaffen. Es war mir ziemlich schnell klar, dass es zwischen den deutschen Umweltakteuren und den Migranten-Communities an Vermittlern bedarf. Die ganzen Angebote müssen modifiziert werden, sie müssen kulturspezifischer werden. So wie es in dem Moment war, konnten die Angebote die migrantischen Communities nicht erreichen.

Wir begannen mit Bildern zu arbeiten, mit niedrigschwelligen Flyern zu arbeiten, und dann haben wir sehr viel Wert daraufgelegt, dass die Dinge immer persönlich vermittelt werden, mit einer persönlichen Ansprache. Wir haben in Berlin fast in jedem türkischen Verein Veranstaltungen durchgeführt über verschiedene Themen; Mülltrennung, Energiesparen, Wassersparen, Chemikalien im Alltag, wie können wir in der Stadt trotzdem die Umwelt schützen, und was hat mein Konsumverhalten mit den Katastrophen auf der Welt zu tun. Diese Zusammenhänge wurden überhaupt nicht hergestellt, und werden ganz oft sehr kurz gedacht. Da wird nicht gedacht, OK, ich kaufe die Banane, und wenn die Banane aus Südafrika kommt, dann tue ich der Umwelt was Schlimmes an.

Mein Erfolgsrezept ist es, keine komplizierten, abstrakten, theoretischen Sachen zu erzählen, die Leute nur zum Teil verstehen, sondern so konkret wie es geht, den Bezug zum persönlichen Alltag in den ersten drei Minuten herzustellen. Sonst bleiben sie nicht stehen. Das heißt, wenn man Menschen wirklich motivieren will, wenn man sie für eine Sache begeistern will, dann ist es von immenser Bedeutung, dass sofort der Zusammenhang zwischen meinem Verhalten, meinem alltägliches Leben, und dem Umweltschutz hergestellt wird, und dass der Satz „ich kann doch nicht alleine die Welt retten“ anders interpretiert wird. Jeder kann die Welt ein Stückchen retten und verbessern, Retten heißt nichts anderes als „ich reduziere den Schaden, den ich bisher der Umwelt zugefügt habe“.

Wir haben die Erfahrung gemacht, wenn Leute zusammen sind, können wir sie viel eher für eine Sache mobilisieren. Deshalb gehen wir jetzt auch nicht so viel auf die Straße, und sprechen mit den Leuten alleine, sondern wir gehen dahin wo die Leute sowieso zusammenkommen, Vereine, Nachbarschaftszentren, weil, wenn 10, 15, 20 oder mehr Personen zusammen sind, kommt viel schneller dieses Verantwortungsgefühl, diese Mobilisierung auf, also dass sie sich verantwortlich fühlen, dass sie Macht spüren.

Man kann die Menschen erreichen, man kann die Menschen dort abholen wo sie sind, die Frage ist nur, welche Instrumente kann man verwenden. Wenn man die Menschen nicht erreichen kann, dann liegt es nicht an denen, sondern an uns, dass wir noch nicht die richtigen Instrumente entwickelt haben. Als ich meine erste Multiplikatoren-Schulung mit türkischen Frauen gemacht hatte. Ich habe sehr viele schriftliche Sachen vorbereitet, bis ich gemerkt habe, dass zwei Frauen nicht lesen und schreiben können. Ich dachte die beiden Frauen können nichts dafür, dass sie nicht lesen und schreiben können. Dann habe ich all die Dinge die schriftlich waren auf eine Kassette aufgenommen und habe gesagt sie sollen sie so lange hören bis sie es verstanden haben, und wenn sie Fragen haben, können sie mich gerne anrufen. Das war ein sehr bewegender Moment für mich. Meine Herangehensweise ist, wir können jeden ins Boot holen. Es gibt immer Lösungswege.